#ItsInOurHands spricht mit Expertin Dr. Bettina Liebmann aus dem Umweltbundesamt über die Auswirkungen der Umweltverschmutzung durch Plastik und über mögliche politische Gegenmaßnahmen.
Welche Auswirkungen hat die Plastikflut auf die Umwelt, einerseits in Österreich, andererseits in den Weltmeeren?
Dr. Liebmann:Einige der Eigenschaften, die Kunststoffe zu vielseitig nutzbaren und wertvollen Werkstoffen machen, werden beim Eintrag in die Umwelt zu einem Problem, etwa ihre Langlebigkeit. Größere Kunststoffe zerfallen durch Umwelteinwirkungen in immer kleinere Teile und können sich über Wasser, Boden und Luft verbreiten. Zum Problem können auch die im Kunststoff enthaltenen Zusatzstoffe wie Weichmacher und Flammschutzmittel werden. Auch die bereits in der Umwelt vorhandenen Schadstoffe können sich am Mikroplastik anhaften und anreichern. Die Weltmeere sind besonders von Kunststoffabfall betroffen. Meerestiere verfangen sich darin oder verwechseln das Plastik mit Nahrung. Auch die terrestrischen Ökosysteme sind betroffen; die Auswirkungen auf Böden und Bodenlebewesen sind Gegenstand aktueller Forschung.
Kann aus Plastikmüll, der auf Deponien entsorgt wird, im Laufe der Zeit Mikroplastik werden, das etwa durch das Grundwasser wieder in die Umwelt gelangt?
Dr. Liebmann:In Österreich ist die Deponierung von Kunststoffen verboten. EU-weit werden jedoch noch rund 25% der Kunststoffabfälle deponiert. Dass Mikroplastikpartikel über das Deponiesickerwasser in die Umwelt gelangen, ist dann denkbar, wenn die Deponie über keine oder nur mangelhafte Basisabdichtungen verfügt. Verglichen mit anderen Eintragspfaden spielt Deponiesickerwasser aber eine kleinere Rolle. Die potentiellen Mikroplastik-Emissionen aus einer Deponie hängen vom Zustand und dem Alter der Deponie ab. Grundsätzlich sollte es vor einer Deponierung zu einer stofflichen oder energetischen Verwertung von Plastikmüll kommen.
Wie wirkt sich Mikroplastik auf die Tierwelt aus?
Dr. Liebmann: Die Verschmutzung und Anreicherung von Mikroplastik in der Umwelt führt zu einer Veränderung der Lebensräume. Die Belastung kann je nach Tierart zu unterschiedlichen Effekten führen. Die meisten Untersuchungen liegen zu aquatischen Organismen vor, vor allem Fischen, Krustentieren und Muscheln. Wenige Studien wurden bisher zu terrestrischen Organismen durchgeführt. Mikroplastik beziehungsweise die Additive wie Weichmacher und Farbstoffe können die Mobilität und Reproduktion beeinflussen sowie Entzündungen oder Wachstumshemmungen hervorrufen. Die Effekte hängen von der Art, Größe und Menge der aufgenommenen Partikel ab.
Wie kann Mikroplastik, das über die Nahrungskette auch in den menschlichen Körper gelangt, unsere Gesundheit gefährden?
Dr. Liebmann: Über die Aufnahme von Mikroplastik durch die Nahrungskette und Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit ist noch wenig bekannt. Es wird vermutet, dass ein Großteil der oral aufgenommenen Mikroplastikpartikel wieder ausgeschieden wird. In einer Pilotstudie, die wir im Umweltbundesamt gemeinsam mit der MedUni Wien durchgeführt haben, konnten wir – weltweit erstmalig – Mikroplastik im Stuhl aller acht internationalen Teilnehmenden nachweisen. Nach dem derzeitigen Stand der Forschung geht die Wissenschaft jedoch davon aus, dass Mikroplastik kein akutes, gesundheitliches Risiko für den Menschen darstellt. Hier gibt es allerdings noch Forschungsbedarf.
Wie sollte eine für Konsumentinnen und Konsumenten leicht verständliche Kennzeichnung von Produkten, die Plastik oder Mikroplastik enthalten, Ihrer Meinung nach aussehen?
Dr. Liebmann:Die Kennzeichnung sollte direkt auf dem Produkt erfolgen und in einer sprachlichen und optischen Form sein, die es den Verbraucherinnen und Verbrauchern ermöglicht, das Plastik rasch und eindeutig zu erkennen.
Welche Möglichkeiten werden derzeit in der politischen Diskussion bedacht, damit die Industrie und Produkthersteller, wo möglich mehr Produkte ohne verstecktes Plastik auf den Markt bringen?
Dr. Liebmann:Im Rahmen der EU- Plastikstrategie hat die Europäische Chemikalienagentur einen Beschränkungsvorschlag für Mikroplastik erarbeitet, das Produkten vorsätzlich hinzugefügt wird. Dieser Vorschlag wird derzeit auf EU-Ebene diskutiert. Für Produkte, in denen weiterhin Mikroplastik enthalten ist, soll eine verpflichtende Kennzeichnung eingeführt werden. Auf nationaler Ebene wird ein Verbot von Mikroplastik in Kosmetika und Reinigungsmitteln angestrebt.